SUFFIZIENZ

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Suffizienz - #ChangeMyClimate

Der Suffizienz-Begriff

Der Begriff Suffizienz kann umgangssprachlich mit “Genügsamkeit” übersetzt bzw. umschrieben werden. Im Kern dieser Nachhaltigkeitsstrategie steht die zentrale Frage nach “Was brauche ich wirklich für ein gutes Leben?”

Grießhammer und Fischer (2013) definieren Suffizienz als “Änderungen von Konsummustern, die helfen, innerhalb der ökologischen Tragfähigkeit der Erde zu bleiben, wobei sich Nutzenaspekte des Konsums ändern.”

Wolfgang Sachs hat den Begriff der Suffizienz in den 1990er Jahren in die deutsche Nachhaltigkeitsdebatte eingebracht. Er definierte vier E`s, die zur Orientierung für einen suffizienten Lebens- und Gedankenstils dienen können:

  1. Entschleunigung oder die Entdeckung der Gemächlichkeit

Beschleunigung, gründlich genug betrieben, zeigt freilich die missliche Tendenz, sich selbst aufzuheben: man kommt immer schneller dort an, wo man immer kürzer bleibt. Beschleunigung, das ist ihre kontraproduktive Seite, macht gleichgültig für das Hier und Jetzt, sie ist der Feind von gelungener Gegenwart. Daher erstaunt es nicht, dass das neue Interesse für Langsamkeit, das unter dem Firnis des offiziellen Beschleunigungszwangs wächst, mit dem Bestreben zu tun hat, sich aufmerksamer und großzügiger den Situationen des Alltags zu stellen. Der Geschmack für Gemächlichkeit bildet sich aus in der Liebe zur Gegenwart, Intensität führt von selbst zur Verlangsamung (SACHS 1993).

  1. Entflechtung und die Renaissance der Orte

Verflechtung heißt Transport und immer mehr Transport. Die Entfernungen zwischen Produzenten und Konsument (und auch zwischen Konsumenten und Wiederverwertung bzw. Müllhalde) spreizen sich auf; Blumen aus Kenia oder Schuhe aus Taiwan sind bekannte Beispiele. Außerdem vervielfachen sich die Distanzen zwischen Zulieferer und Endfabrikanten; Autohersteller beziehen mit dem “global sourcing” Teile von überall her in der Welt, wie selbst die Bestandteile eines simplen Joghurtbechern in der Summe schon einen Reiseweg von 9000 km hinter sich haben. (….)

Die Schatten werden immer länger. Zuallererst aus politischen Gründen. Denn die “Sicherung des Wirtschaftsstandorts” wird notgedrungen zur beherrschenden Maxime, vor der alle anderen Gestaltungswünsche, sei es das Verlangen nach sozialer Solidarität, nach Stadtqualität oder auch nach unverbrauchter Natur in die Knie gehen müssen. (…)

Was der Ökologie frommt, kann auch der Demokratie nützen. Mehr wirtschaftliche Kreisläufe auf regionaler/lokaler Ebene zu schließen, schafft lokal verdichtete Ökonomien, also mehr Eigenständigkeit auf unterer Ebene. Obendrein eröffnen sich mit Mikroelektronik und mit auf Sonne und Biomasse aufbauenden Technologien neue Chancen für eine dezentralere Produktionsweise, die – in Verbindung mit einer Art post-modernem Heimatstolz – Europa buntscheckig gestalten könnte (Sachs 1993).

  1. Entrümpelung oder die Eleganz der Einfachheit

Denn das Gegenteil zu einem einfachen Lebensstil ist in dieser Tradition keineswegs das luxuriöse, sondern das zerfaserte Leben. Eine Überzahl von Dingen verstopft den Alltag, zerstreut die Aufmerksamkeit, verzettelt die Energien, und schwächt die Kraft, eine klare Linie zu finden. Nur bei einem vorsichtigen Umgang mit den Dingen, bleiben genügend Ressourcen an Zeit und an Achtsamkeit, um dem eigenen Lebensprojekt richtige Gestalt zu geben. Das Plädoyer für Einfachheit hat also mehr mit der Ästhetik der Lebensführung zu tun als mit Moral; die Zersplitterung des Geistes ist die Gefahr, die im Überfluss steckt.

Wer den Kopf über der Warenschwemme halten will, dem bleibt sowieso nichts anderes als selektiver Konsum, und wer der Herr seiner Wünsche bleiben will, der wird das Vergnügen entdecken, Kaufoptionen systematisch nicht wahrzunehmen. Bewusst ein Desinteresse für zuviel Konsum zu pflegen, ist eine recht zukunftsfähige Haltung, für einen selbst und zufällig auch für die Welt (Sachs 1993).

  1. Entkommerzialisierung oder Ausschau nach den „Commons“

Woher rührt der Wohlstand eines Gemeinwesens? Seit Gründervater Adam Smith die Arbeit, und zwar die warenerzeugende, als die Quelle des nationalen Wohlstands gepriesen hat, ist den Ökonomen neben der Natur auch die Gemeinschaft, die Sphäre der nicht-kommerziellen Tätigkeiten, aus dem Blick gerutscht. Dabei ergibt sich aus Untersuchungen, dass 30-50% der gesellschaftlichen Arbeit, typischerweise von Frauen getragen, sich in diesem informellen Sektor abspielen. Daher ist es kaum übertrieben zu sagen, dass die Gemeinkultur nichtkommerzieller Tätigkeiten das eigentliche Fundament der “Wertschöpfung” darstellt, auf das Büro und Fabrik erst aufbauen.

Müssen wir nicht diese Quelle des Wohlstands neu in den Blick nehmen, wenn wir über eine stationäre Wirtschaft oder gar eine Wirtschaftsschrumpfung sprechen wollen? Schließlich kann man sich doch nicht länger um die Großfrage unserer Zeit herumdrücken: wie ist soziale Sicherheit, wie ist ein annehmliches Leben möglich ohne eine wachsende Wirtschaft? Eine mögliche Antwort liegt darin, auf Wege zu sinnen, wie Ressourcen an Recht, Land, Infrastruktur, Geld so eingesetzt werden können, dass die Bürger viele Dinge in Selbsttätigkeit und in freier Trägerschaft tun können. Zeitsouveränität und Grundsicherung sind die Pfeiler einer neuen Solidarordnung wie auch einer wachstumsindifferenten Wirtschaft (Sachs 1992).

Wolfgang Sachs definiert in seinen Ausführungen den Suffizienzbegriff weit über den persönlichen Handlungsrahmen hinaus, hin zu einer gesellschaftlich-politischen Vision.  Gesellschaften formen sich aus den Bürgern die in diesen agieren und sie von unten gestalten. Sachs und Mollision trennen ca 30 Jahre in ihrer gesellschaftlichen Utopie dennoch sind ihre Ideale und Vorschläge zur Gestaltung einer nachhaltigen Gesellschaft sehr ähnlich.